Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch
Abwesend: Donnerstag, Freitag
Mehr über Alexandra erfahren
Alte Heimat auf neuen Wegen erfahren
Als gebürtige Rheinland-Pfälzerin kannte ich die Lahn bisher nur vom Hörensagen und aus dem Geografieunterricht in der Schule. Bekannt sind der Lahnradweg und die Möglichkeiten, den Fluss mit dem Kanu zu erkunden, weit über die Landesgrenzen hinaus.
Zumal er als einer der ersten in Deutschland vom ADFC ausgezeichnet wurde. Es wurde somit Zeit, dass ich diesen vielversprechenden Radweg, den Eurotrek schon länger erfolgreich im Programm hat, selbst erkunde. Mit meinem Mann Arnaud und unserer 2-jährigen Tochter Estelle zogen wir darum am Osterwochenende los.
Nach einem Zwischenstopp bei meinen Eltern im Raum Bad Kreuznach sind es nur noch zwei Stunden bis Marburg. Wir kommen am frühen Nachmittag an, um uns die Universitätsstadt mit ihren Fachwerkbauten, kleinen Geschäften, Cafés und Restaurants anzusehen. Durch die vielen internationalen Studenten herrscht ein junges Flair in der Stadt. Unser erstes Hotel, das Vila Vita Rosenpark, liegt in Bahnhofsnähe und ist schnell gefunden. Wegen vieler kleinerer, zusammenhängender Gebäudekomplexe ist die Grösse schwer einzuschätzen.
Die Rezeption ist im Hauptgebäude, wo sich auch das hoteleigene Restaurant und eine Bar befinden. Erst durch die Anzahl an Sitzmöglichkeiten lässt sich die wahre Dimension dieses Hotels erahnen. Trotzdem wirkt alles sehr familiär und wir fühlen uns schnell wohl. Mit einem regionaltypischen “Ej Gude“ werden wir begrüsst. Beim Check-in werden uns auch umgehend die Reiseunterlagen von unserem Partner Velociped ausgehändigt. Ich freue mich schon, mich in den Reiseverlauf einzulesen und mögliche Einkehrmöglichkeiten und Sehenswürdigkeiten entlang der Strecke auszusuchen.
Die Atmosphäre einer Studentenstadt mit ihren Cafés und Restaurants.
Als wir unser Zimmer betreten, machen wir grosse Augen. Es gibt einen grosszügigen abgetrennten Wohn- und Schlafbereich und an unsere kleine Tochter wurde auch gedacht. Babybett, Schlafsack, Windeleimer, ein Malset und extra Slippers sind für sie bereitgestellt. Sie ist sichtlich entzückt und staunt nicht schlecht.
Die Krokodilhausschuhe will sie gar nicht mehr ausziehen, sie werden auf dem Rest der Reise ihre treuen Begleiter. Leider sind am Ostersonntag im hoteleigenen Restaurant alle Tische bereits reserviert. Lediglich ab 20 Uhr wäre wieder etwas verfügbar. Da das Babyfon für diese Distanz leider nicht ausgerüstet ist und die Kleine zeitig zu Bett geht, entscheiden wir uns für den praktischerweise angeboten Roomservice. Wir geniessen Pizza im Zimmer und sehen dem Beginn der Reise freudig entgegen.
Der Charme der Stadt Marburg und ihre historische Altstadt.
Das Frühstück im Vila Vita Rosenpark Hotel lässt keine Wünsche offen. Die Auswahl an Speisen und Getränken ist beachtlich. Einige andere Gäste beginnen den Ostermontag mit Sekt. Wir verzichten in Anbetracht der Tagesetappe von 55 km auf diesen Genuss und starten trotzdem mit überfüllten Mägen. Die Versuchung war eben doch grösser als der Verstand. Wir setzen uns auf unsere Räder, der Anhänger mit unserer Tochter ist am Fahrrad ihres Papas befestigt.
Gut, dass es erst einmal rollt und der Radweg meist flach der idyllischen Lahn entlangführt. Vorbei an grünen Wiesen und kleinen malerischen Seen macht der Beginn schon richtig Spass. Der Radweg ist bestens ausgeschildert und gut ausgebaut. Wir sind überwiegend auf Radwegtrassen abseits der Strasse für den Autoverkehr unterwegs. Auf die App, die wir bereits vor Abreise installiert haben, müssen wir kaum zurückgreifen. Nach gut 35 km erreichen wir Giessen, wo selbst am Ostermontag viel los ist in der Fussgängerzone. Nach einer kurzen Pause geht es fröhlich weiter. Ziel der ersten und längsten Etappe ist das malerische Fachwerkstädtchen Wetzlar. Hier laden unzählige Restaurants zur Stärkung nach dem langen Radeltag ein. Wir entscheiden uns für ein rustikales mit regionaler Küche, nachdem das Hotelrestaurant Wetzlarer Hof Ruhetag hat. Fussläufig finden wir eine grosse Anzahl an unterschiedlichen Einkehrmöglichkeiten vor. Ich freue mich, altbekannte Speisen wie Spundekäs, Handkäs mit Musik sowie Frankfurter Grüne Sosse auf der Karte wiederzufinden.
Das weite Lahntal, vorbei an idyllischen Badeseen bis nach Wetzlar.
Anfangs sehen wir noch viel von der Lahn. Im Verlauf der Etappe liegt die Route allerdings überwiegend nahe der Bundesstrasse. Zwar ist ein eigens gestalteter Radweg vorhanden, dennoch ist der immense Autoverkehr in unmittelbarer Nähe spürbar. Immer wieder kreuzt oder unterquert man die Bundesstrasse. Viele Lastwagen sind auf der Stecke unterwegs.
Wir hätten die Wahl, noch einen Abstecher zum Besucherbergwerk Grube Fortuna zu unternehmen, das etwa 3 km vom Radweg entfernt liegt. Es wurde uns mehrfach empfohlen, hat allerdings nur von mittwochs bis sonntags geöffnet. Am heutigen Dienstag müssen wir auf das Abenteuer unter Tage verzichten. Dafür wartet die barocke Residenzstadt Weilburg am Zielort auf uns und bezaubert mit grosszügig angelegtem Schlossgarten. Hier können wir einen Grossteil des Nachmittags verbringen, uns einfach treiben lassen und die Sonnenstrahlen und bunte Blumenpracht geniessen.
Die Barockstadt Weilburg bezaubert uns mit ihrem weitläufigen Schlossgarten.
Der Tag beginnt verregnet und auch die Wetteraussichten geben kaum Hoffnung auf Besserung. Wir starten etwas später und bleiben so lange wie möglich auf dem Zimmer, damit wir in der neuen Unterkunft möglichst direkt einchecken können und bestenfalls schon unser Gepäck vorfinden.
Dass wir uns auf eine warme Dusche nach diesem regenreichen Velotag freuen werden, ist vorauszusehen. Eine weitere Motivation ist aber auch, dass wir uns abends mit alten Freunden zum Essen verabredet haben. Sobald wir Weilburg hinter uns lassen, sind wir ganz allein unterwegs. Heute kommen uns nur eine Handvoll Radfahrer entgegen. Dabei ist dieser Streckenabschnitt besonders idyllisch.
Regen macht den Tag besonders.
Lange Zeit radeln wir unbeschwert dem Lahnufer entlang. Trotz des Regens oder vielleicht gerade deshalb spürt man einen besonderen Reiz und fühlt sich weit ab der Zivilisation. Schon aus der Ferne erblicken wir das Wahrzeichen der Stadt, den Limburger Sankt-Georgs-Dom, der über dem Ort thront.
Die Fachwerk-Altstadt ist intakt und beeindruckt mit mittelalterlichem Charme. Unsere Freunde, die hier leben, haben für unser Wiedersehen eine Weinstube im Herzen Limburgs empfohlen, in der wir erneut sehr gute regionale Küche geniessen. Eine deftige Mahlzeit kommt uns nach dem nasskalten Wetter wie gerufen. Die Männer frönen leidenschaftlich dem Wein und wir Frauen schwelgen in Erinnerungen.
Das Renaissanceschloss thront auf einem hohen Felsgrat über der Lahn.
Auch an diesem Morgen wachen wir bei Regen auf. Die Vorhersage wechselt ständig, sodass wir uns darauf nicht verlassen können. Es ist eben April, was will man machen!? Erst einmal gut frühstücken ist unsere Devise! Heute fahren wir vom Bundesland Hessen nach Rheinland-Pfalz. Der Übergang vom hessischen Limburg ins rheinland-pfälzische Diez ist fast nahtlos. Das Grafenschloss prägt die Silhouette der Stadt. Wir halten uns aber nicht länger auf, queren die Alte Lahnbrücke und folgen dem Radweg durch eine Kleingartenkolonie entlang des Ufers weiter bis Balduinstein. In diesem Jahr wurde die Radweg-Lücke zwischen Balduinstein und Laurenburg geschlossen. Der Lahnradweg führt hier nun über zwei neue Brücken ohne Autoverkehr immer der Lahn entlang.
Ein Segen, denn zuvor musste man erst einmal einen grossen Anstieg bewältigen oder alternativ auf die Bahn zurückgreifen. Eine kurze, steile Steigung bleibt allerdings nicht aus. Der Weg zum Kloster Arnstein fordert zwar ein paar Schweisstropfen, doch die Anstrengung wird mit der Aussicht auf den Talkessel mit Weinbergen und Blick auf die Lahn gebührend honoriert. In den Kurort Bad Ems, eine barocke Kurstadt, rollen wir bei Starkregen ein. Die imposante Kulisse zeigt sich im Verlauf des Nachmittags trotzdem noch mit viel Sonnenschein und wirkt in der goldenen Abendsonne von der Dachterrasse unseres Hotels aus richtig mondän. Bad Ems wurde 2021 mit dem Titel "Great Spa Towns of Europe" als UNESCO-Welterbe anerkannt und ist bekannt für ihr Heilwasser.
Ein kurzer Stopp auf dem Radweg entlang der Lahn.
Heute steht uns die kürzeste Etappe bevor und wir starten ganz gemütlich. Vorbei am Kurpark und der gepflegten Promenade verlassen wir Bad Ems. Auf der Strecke durch den Naturpark Nassau können wir einige Schiffe auf der Lahn entdecken und bei einer Schleuse machen wir Halt, um uns das Geschehen aus nächster Nähe anzusehen. Alles wirkt gemütlich und auch die Schiffe sind gemächlich unterwegs. Hier sind zudem fast 100 Brutvogelarten beheimatet.
Unsere Radtour wird von einem ständigen Vogelkonzert untermalt. In Lahnsteig radeln wir mit Blick auf Burg Lahneck vorbei zur Mündung der Lahn in den Rhein. Ein Foto-Stopp hier mit dem Schloss Stolzenfels im Hintergrund, ist Pflicht. Weiter geht es fast ein bisschen wehmütig, die lieb gewonnene Lahn wieder zu verlassen, entlang des Rhein-Radwegs nach Koblenz. Die Veränderung ist direkt spürbar. Es gibt unzählige Radfahrer und deutlich mehr Schiffsverkehr. Zum Teil auch grosse Containerschiffe und Flusskreuzfahrtschiffe. Nach Ankunft in Koblenz beschliessen wir die Verlängerung bis St. Goar auf dem Rhein-Radweg linksrheinisch auszulassen und auf die Schifffahrt zurück zu verzichten.
Durch den Naturpark Nassau können wir einige Boote auf der Lahn sehen.
Aus organisatorischen Gründen plant mein Mann, bei Ankunft in Koblenz mit dem ÖV nach Marburg zu fahren und unser Auto abzuholen. Durch Schienenersatzverkehr entlang der Strecke beträgt die Reisezeit 2:30 Stunden mit dreimal Umsteigen. Fahrräder sind leider nicht gestattet. Den Stress wollen wir am Tag der Rückreise vermeiden.
Meine Eltern nutzen daher unser nahes Urlaubsziel als Anlass, unsere kleine Tochter und mich wieder zu sehen und gemeinsam mit uns Koblenz zu erkunden. Die Seilbahnfahrt hoch zur Festung Ehrenbreitstein ist ein Muss für jeden Koblenz-Besucher. Die Aussicht ist an diesem Tag besonders gut.
Die Seilbahnfahrt zur Festung Ehrenbreitstein.
Am Tag der Abreise geniessen wir nochmals unser letztes Hotelfrühstück. Die ganze letzte Woche wurden wir morgens mit Eierspeisen sowie warmen und kalten Köstlichkeiten verwöhnt. Die Auswahl war stets riesig, sodass süsse und salzige Gelüste bei jedem gestillt werden konnten. Zu Hause wird das Zmorge wieder etwas kleiner ausfallen. Während wir noch die letzten Bissen geniessen, blicken wir glücklich auf die fünf Tage Fahrvergnügen zurück.
Fast fehlt es uns, heute wieder in die Pedale zu treten und entschleunigt zu reisen. Wir haben nochmals festgestellt, dass man beim Fahrradfahren einfach viel mehr sieht und wahrnimmt und wir rundum entspannt zurückkehren. "Alla hopp! Jetzt aber los!", sage ich meinem Mann am Schluss. Nach den Tagen in meiner alten Heimat hat sich auch der dazugehörige Dialekt wieder eingeschlichen.
Porträt von Alexandras Familie auf einer Radtour.
Der Lahnradweg sollte selbst mit Countrybike machbar sein, die Etappen sind ausgewogen. Wir haben unsere eigenen E-Bikes mitgebracht, da wir ungern auf sie verzichten. Da man aber fast immer am Fluss entlang in Fliessrichtung fährt, sind die wenigen Steigungen kaum merkbar.
Teilweise ist der Radweg allerdings eng. Bei Gegenverkehr muss man etwas vorsichtiger sein. Das ist uns insbesondere mit dem Veloanhänger für unsere Tochter aufgefallen. Insgesamt hat uns aber die idyllische Landschaft entlang der Lahn mit den grossartigen historischen Orten und imposanten Burgen und Schlössern sehr beeindruckt. Es ist fast eine Schande, dass ich dieses Stück meiner alten Heimat so wenig auf dem Schirm hatte und ich erst in die Schweiz ziehen musste, um es zu entdecken.
Ruhiger Wanderweg nahe der Mündung der Lahn in den Rhein.
Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch
Abwesend: Donnerstag, Freitag
Mehr über Alexandra erfahren