

Meine Vorfreude ist riesig. Nach einem Verkehrsunfall im September 2021 und Monaten an Gehstöcken und mit Physio ist meine Knieverletzung fast ausgeheilt: Ich kann wieder Gehen und sogar Velofahren. Aufgrund meiner noch aufbaufähigen Fitness und meines belasteten Knies entscheiden Caroline und ich uns für eine sehr einfache Kurzstudienreise in der Schweiz.
Das Standard-Hotel in Losone ist nicht mehr verfügbar, aber wir konnten ein zentral gelegenes, sympathisches Hotel in Locarno buchen. Es ist teilweise renoviert und sehr familiär. Freundlich werden wir von den Besitzerinnen begrüsst. Vom hellen Zimmer mit kleinem Balkon blicken wir in den ruhigen Hinterhof mit grossen Bäumen und ein wenig Seesicht.
Am Abend regnet es, und wir sind froh, können wir über einen gedeckten Zugang vom Hotel zum Restaurant gelangen. Da wir beide liebend gerne essen, lassen wir uns diese Tage mit Tessiner Spezialitäten sowie italienischen Speisen verwöhnen. Selbstgemachte Pasta, Tessiner Polenta, frisches Gemüse, leckeren Käse und frisches Olivenöl sowie verschiedene Schinken erfreuen unseren Gaumen.
Endlich geht’s los:
Wir erkunden in einer Kurzvariante zwei Velorouten der Lago Maggiore Sternfahrt und haben uns für die Velotouren ins Maggiatal und an den Luganersee entschieden.
Wir mieten die Velos bei Rentabike am Bahnhof Locarno, was wunderbar klappt. Da es gemäss Internet-Regenradar noch bis kurz vor Mittag regnen soll, schlemmen wir am ersten Radtag ausgiebig vom frischen Frühstücksbuffet, das liebevoll von den beiden Hoteldamen zubereitet wurde.
Während der Tour haben wir beide Nächte im Hotel Home in Locarno verbracht. Das B & B hat eine zentrale Lage und ist nur 5 Gehminuten vom See entfernt. Nach einem stärkenden Frühstück am Buffet geht die Veloreise für uns los.
Wir haben schon sehr viele Velotouren in der Schweiz und ganz Europa (Apulien, Mallorca, Holland, Kroatien, Schwarzwald etc.) machen dürfen. Daher wissen wir, dass die anstehenden 20 bis 30 Kilometer nicht den ganzen Tag in Anspruch nehmen werden. 😊
Somit fassen wir unsere Räder erst gegen Mittag und düsen los. Wir verlassen Locarno Richtung Maggiatal und radeln bald durch den verwunschenen Wald Merrigio mit vielen Palmen, der an einen Urwald in den Tropen erinnert.
Etwas später führt der Weg am kleinen Örtchen Ponte Brolla vorbei, wo die Maggia das Maggiatal durch eine schmale Schlucht mit bizarren Felsformationen verlässt. Diese haben einen hohen Bekanntheitsgrad durch die Meisterschaft im Cliff Diving bekommen. Hier findet jeweils die Europameisterschaft im Klippenspringen statt, sowie das populäre Red Bull Cliff Diving.
Das Valle Maggia ist ein sehr idyllisches Tal, wo im Sommer viele Einheimische und Touristen sich in der kühlen Maggia erfrischen. Tafeln weisen auf Gefahren beim Sprung in unbekannte Becken hin.
Die Fahrt an der Hauptstrasse ist dank der Sicht auf die Maggia grossartig. Kurz nach Gordevio erspähen wir schon ein Grotto, in dem wir auf der Rückfahrt ein spätes Mittagessen geniessen möchten.
Die kleinen, verschlafenen Örtchen Maggia, Moghegno und Aurigeno versetzen uns zurück in längst vergangene Zeiten. Mit ihrer typischen Tessiner Architektur verzaubern uns die steinernen Häuser und Kirchen am Wegrand.
Kurz nach Maggia und bei Aurigeno überqueren wir den Fluss Maggia. Beide Male führt die Route über eine Hängebrücke mit traumhaftem Ausblick in die Ferne. Zwei Highlights auf dieser Tour, auf denen wir die Länge dieses wunderschönen Tals nur erahnen können. Auch die schmalen Gassen in den kleinen, verlassenen Örtchen verzaubern uns.
Und da wir heute gefühlt im ganzen Maggiatal die einzigen Velofahrerinnen auf dem Veloweg sind, geniessen wir die Ruhe und Einsamkeit der Gegend. Auf dem Rückweg fahren wir wieder an Gordevio vorbei und sichten das Grotto Valmaggese am Strassenrand Richtung Avegno wieder.
Die feine Spargelsuppe und die selbst gemachten Gnocchi stärken uns für die letzten Kilometer nach Locarno.
Ein Grotto ist ein typisches, rustikales Tessiner Lokal, das man in den kleineren Dörfern auf dieser Velotour immer wieder sieht.
Der Name Grotto kommt von natürlichen Felshöhlen (Grotten), in denen die Landbevölkerung im Tessin ursprünglich Wein, Schinken und Käse aufbewahrte. Diese Vorratshöhlen wurden mittlerweile in Restaurants umgewandelt, in denen vorwiegend Gerichte aus lokalen Produkten angeboten werden.
Nahe der Piazza Grande in Locarno kennt meine Freundin Caroline die beste Gelateria im Ort, die La mini gelateria. Ein grosses Gelato darf natürlich auf unserem Tessiner Kurztrip nicht fehlen.
Für den Abend haben wir uns einen Tisch in der Osteria Antica in Locarno Muralto reserviert. Osterien waren früher beliebte Treffpunkte der Arbeiterinnen und Arbeiter, auch oft in der Nähe von Fabrikanlagen und Bahnlinien zu finden. Heute gibt es viele neu eröffnete Osterien, welche von einer jungen Generation nach dem ursprünglichen Geist geführt werden.
Hier, in der Osteria Antica, sagt man nicht umsonst, das Auge isst mit. Die Speisen sind wunderschön angerichtet und schmecken grossartig.
Am nächsten Tag werden wir vom Regen grösstenteils verschont. Um zum Tourstart nach Melide zu gelangen, steigen wir mit unseren Mieträdern in den Zug. Wir reisen nicht zur Stosszeit, deshalb haben wir genügend Platz für die Räder und können sie gut mit den dafür vorgesehenen Schnallen befestigen.
Was uns erstaunt und umständlich ist: der Ausstieg in Melide. Um aus dem Zug zu kommen, muss das Velo zuerst über zwei Stufen getragen werden und vom Perron zum Ausgang des Bahnhofs gibt’s lediglich Treppen, weder einen Lift noch eine Rampe.
Hier in Melide sollte man sich unbedingt Zeit nehmen, um den Park Swissminiatur zu besuchen. Die Schweiz ist in diesem Miniaturpark im Kleinformat dargestellt.
Wir fahren an der Strasse am See von Melide bis Morcote entlang. Hier gibt es meist keinen Velostreifen, sie ist jedoch wenig befahren. Die Aussicht auf den See und die faszinierenden Villen am bewaldeten Berghang beeindrucken uns.
Wir radeln durch das malerische Örtchen Morcote. Hier wird es mit den vielen kleinen Souvenirläden, Geschäften mit lokalen Produkten und kleinen Restaurants mit hübschen Terrassen etwas touristischer.
Bevor wir uns vom See für einen kurzen Abschnitt verabschieden, lassen wir an einem atemberaubenden Plätzchen direkt am See die Seele baumeln. Wir finden es zufällig. Von der Strasse führt eine steile Treppe hinunter zum See. Zwischen den teilweise verlassen aussehenden Villen setzen wir uns auf einen Steinsteg, der ins Wasser hinausragt. Die Füsse im Wasser, Boote tuckern vorbei und Schwäne schwimmen im glasklaren See – ein entspannendes Gefühl macht sich breit.
Dadurch erfrischt, radeln wir durchs Industriegebiet Lugano entgegen.
Und die charmante Stadt am Luganersee, die prächtige Promenade und die hübsche Altstadt enttäuschen uns nicht: Lugano ist vielseitig, grün, blumig, kulturell und auch zum Shoppen gut geeignet.
Wir lassen uns in dieser Stadt Zeit, bei einem leckeren Pasta-Essen die Menschenströme zu beobachten und unsere Tessiner Highlight-Tour revue-passieren zu lassen.
Das Physiotraining hat sich gelohnt: Meinem Knie kam die Bewegung auf diesen zwei traumhaften Touren zugute und ich fühle mich wunderbar.

Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch
Abwesend: Dienstag, Freitag