
Bei der Reise um den höchsten Berg der Alpen reihte sich ein Wow-Moment an den nächsten. Auch wenn wir von Emotionen überhäuft wurden, bleibt mir ein Tag besonders in Erinnerung: der Aufstieg zum Lac de Chesery.
Die Tour begann zunächst gemütlich, aber stetig steigend im Wald. Immer wieder sahen wir durch die hohen Bäume den Gipfel des Mont Blanc durchblitzen und bis jetzt dachte ich noch nicht an unser baldiges Abenteuer.
Doch je höher wir aufstiegen, desto nervöser wurde ich: heute war nämlich der Etappentag, an welchem ich meine Höhenangst überwinden musste. Ein Gefühl aus Angst und Respekt überkam mich. Werde ich es schaffen?
Meine Freundinnen redeten mir Mut zu, auch wenn Ihnen selbst etwas mulmig zumute war. Als wir bei der steilen Felswand ankamen, atmete ich tief durch. Das wird schon!
Nachdem die Warteschlange vor uns immer wie kleiner wurde, waren wir schon bald an der Reihe. Ich schaute nach oben, setzte meinen Fuss auf die Leiter und zog mich hoch. Das geht ja ganz gut!
Die Leitern waren nicht so schlimm wie gedacht und doch bemerkte ich, wie mir plötzlich das Adrenalin ins Blut schoss, meine Hände zu schwitzen anfingen und meine Beine ganz weich wurden.
Diese Passage hatte etwas von einer Via Ferrata. Seile, Eisentreppen und Leitern musste ich überwinden. Und wer hätte das gedacht? Trotz Höhenangst fing es an mir Spass zu machen, da es eine Abwechslung zum «normalen» Wandern war.
Sobald wir oben ankamen, fühlte ich mich stark und frei. Die Aussicht auf das Berg- und Gletscherpanorama, dass sich uns öffnete, machten diesen schwierigen Aufstieg noch lohnender und wir waren einfach nur glücklich hier zu sein.

In sehr jungen Jahren hatte ich literarisch eine Somerset-Maugham-Phase. Maugham (1874-1965) war einer der meistgelesenen englischen Autoren seiner Zeit und ein vielseitiger Erzähler. Er mochte die Menschen und hatte einen guten Instinkt für soziale Zusammenhänge. In einem seiner Romane erzählt ein Gast im Club den Anwesenden die Geschichte eines englischen Arztes, der mit dem Schiff in eine ferne Stadt reist.
Welche es war, habe ich vergessen, aber beim Anblick der Stadt vor der Einfahrt in den Hafen weiss dieser Mann, dass dies der Ort ist, an dem er den Rest seines Lebens verbringen will.
Ein Vierteljahrhundert später, Anfang 40, habe ich zum ersten Mal mit meiner Partnerin meinen Urlaub an der ligurischen Küste verbracht. Wir mieteten in Moneglia eine kleine Wohnung mit Gartenterrasse und eigneten uns mit täglichen Wanderungen die Gegend zwischen Monegila und Porto Venere an, einzelne Abstecher in die Gegend zwischen Sant'Ambrogio della Costa und Recco inklusive.
Es war vielleicht der schönste Urlaub meines Lebens: Eine Landschaft, in die ich mich in kürzester Zeit verliebte, immer gutes - nicht zu heisses - Wetter, die Mediterrane Küche und dazu ein Gefühl absoluter Sorglosigkeit.
Alltäglichkeiten haben sich in meine Erinnerung eingegraben: Die Stimme einer Frau von weiter oben im Hang, die jeden Abend zur Dämmerung ihre Tiere hereinruft. Ich habe sie nie gesehen, nie erfahren, welchen Tieren sie gerufen hat. Ihr mütterliches "a qui, a qui" habe ich aber heute noch im Ohr.
Wie auch die Durchsagen des nahen Bahnhofs, eine freundliche Frauenstimme, die in den letzten Jahren durch eine nüchterne männliche ersetzt worden ist. Und eine wild lebende, aber zutrauliche Katzenmutter mit zwei Kätzchen, die sich tägliche Leckerbissen erbettelten und sich auch sonst bei uns recht heimisch fühlten.
Kurz und gut: Da war ich nun und wollte nie mehr weg! Wie der Mann in Maugham's Roman.
Aber natürlich bin ich, ganz Charakterlump und gut domestiziert, am Ende des Urlaubs doch brav wieder nach Hause gefahren. Heimreise und die erste Zeit zurück in Zürich standen allerdings ganz im Zeichen melancholischer Verdriesslichkeit. Der Prozess der Versöhnung mit meinem Schicksal, zog sich ein bis zwei Wochen hin.
Seit dieser Zeit besuchen wir die Ligurische Küste in mehr oder weniger regelmässigen Abständen, mieten uns abwechslungsweise in Moneglia oder in Finale Ligure, im oberen Teil der Küste, ein.
Auch Radfahren geht in dieser Region wunderbar, man sollte allerdings keine allzu grosse Angst vor Höhenmetern haben.

Die Via Alpina Bärentrek ist für mich Schweiz pur. Angefangen beim Dorf Grindelwald, welches eingebettet in einer grünen Talmulde, umgeben von der imposanten Bergkulisse mit Eiger Nordwand und Wetterhorn, liegt. Der Eiger-Trail, welcher an der berühmten Nordwand für Nervenkitzel sorgt. Die funkelnde rote Eisenbahn, die man von weitem sieht, wie sie sich durch das Gebirge via Kleine Scheidegg schlängelt, bevor sie zum bekannten Ausflugsziel im ewigen Schnee und Eis hochsteigt.
Wandern auf der Wengernalp mit Blick auf den Hundschopf, welcher die Hauptattraktion der jährlichen weltbekannten Lauberhornabfahrt ist. Das märchenhafte Lauterbrunnental mit den 72 tosenden Wasserfällen, imposanten Talabschüssen und bunten Alpwiesen, was für mich einer der schönsten Orte der Schweiz ist.
Das Glücksgefühl, wenn man die letzte steile Treppenstufe zur Passhöhe Hohtürli erreicht hat und die überwältigende Aussicht in die Gletscherwelt der Blüemlisalp geniesst, welche die Anstrengung der letzten Stunden dieser Etappe schnell wieder vergessen lässt.
Der Oeschinensee, der zwischen den mächtigen Felswänden in seinem Türkisblau erstrahlt. Die nostalgischen Postkarten-Bergdörfer mit ihren schmucken und farbenprächtigen Blumenbouquet an den Fenstern sowie die zahlreichen einladenden Berghütten, in denen man seinen Hunger und Durst stillen kann. Das Gefühl am Abend müde und zufrieden einzuschlafen, mit der Vorfreude wieder einen Tag voller Challenges und Eindrücke auf der Via Alpina erleben zu dürfen.


Die lange Abfahrt nach Biasca war Belohnung und Adrenalinkick zugleich. Von 1915 m über Meer fährt man auf 301 m hinunter, verteilt auf ca. 40 km. Auch vergisst man leicht, wie schnell so ein E-Velo in der Abfahrt werden kann!
Von der kühlen Bergwelt der Passhöhe gelangt der Radler nach und nach in warmes mediterranes Klima. Für mich ein wunderbares Gefühl, denn nichts liebe ich mehr, als Sonne und Wärme auf der Haut zu spüren, den Duft von Olivenbäumen in der Nase und Zypressen, die für mich den Süden verkörpern.
Sonnenstube Tessin- wir kommen! Wir freuten uns auch über den Umstand, dass wir den Pass nicht in der anderen Richtung gefahren sind, denn dies wäre ein harter Brocken gewesen.
Ich kannte Biasca schon von früheren Reisen und hatte den Ort als kleines, verschlafenes Nest in Erinnerung.
Meine Kollegin wünschte sich unbedingt, in einem typischen Tessiner Grotto zu essen, also machten wir uns auf die Suche. Und siehe da: Etwa zwanzig Gehminuten von unserem Hotel entfernt, fanden wir unser Traumgrotto.
Und so fehlte es an gar nichts an unserem Tessinerabend mit Steinpilz-Risotto, einem Boccalino Rotwein, dem unverzichtbaren Espresso und obendrauf ein Limoncello. Salute!


06. Juni 1944, Omaha Beach. Der breite Strandabschnitt ist gut gesichert. Ein Widerstandsnest reiht sich an das nächste und bildet den gefürchteten Atlantikwall, der über Jahre von Nazi-Deutschland aufgebaut wurde. Dennoch sehen die alliierten Truppen genau hier die Chance zum Durchbruch. Gegen 09.00 Uhr landen Sie am Strand und nehmen diesen unter grossen Verlusten ein.
Die Geschichte des D-Days ist zum Symbol des freien Europas geworden. Dem Europa, das ich heute kenne. So habe ich es auch den gefallenen Soldaten zu verdanken, dass ich nun mit meinem Velo hoch über dem Strand stehen darf und diesen wunderschönen Flecken Erde bewundern kann. Mir läuft es kalt den Rücken runter. Hier wurde vor über 70 Jahren Geschichte geschrieben. Vieles zeugt auch heute noch von dieser blutigen Vergangenheit.
Es ist ein regnerischer, windiger Sommertag am Omaha Beach. Ähnliches Wetter fanden auch die tausenden Soldaten vor, die hier bei hohem Wellengang in unzähligen Landungsbooten ankamen und sich den Nazis stellen mussten.
Mein Blick schweift über den Strand. Mit Segeln versehene Gokarts machen ein Rennen im strammen Wind. Man lacht, bewundert die faszinierenden Auswirkungen der Gezeiten auf die Landschaft. Es ist ein Ort, den man bei einer Reise in die Normandie besuchen muss. Vor dem man ehrfürchtig den Befreiern Europas gedenken soll und am Ende des Tages glücklich sein darf, dass alles so kam, wie es kam.