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Wanderer auf einer Anhöhe mit weitem Himmel

Wandern auf dem Trans Swiss Trail - Teil zwei

Tropische Temperaturen, karibische Grüsse und eine verhängnisvolle Merängge

Vom Drei-Seen-Land zu den Hügeln des Emmentals: Die zweite Etappe des Trans Swiss Trails fordert Franziska Hidber (Text) und Indra Joshi (Fotos) heraus – nur anders als gedacht. Zwar sind die Höhenmeter harmlos, aber die Versuchungen am Wegesrand haben es in sich.

Wandern auf dem Trans Swiss Trail - Teil zwei

Tag 1: Neuenburg-Murten

Mont Vully? Olàlà!

Sonntagmorgen. Der Neuenburgersee schimmert sublim, die ersten Menschen baden bereits. 33 Grad hat der Wetterbericht für heute versprochen. Wäre es da nicht schlauer, das Badetuch auf der Liegewiese auszubreiten statt die Wanderschuhe zu schnüren? Vermutlich schon. Wollen wir deswegen kneifen? Nie und nimmer! Wir Ausbunde an Tapferkeit marschieren stramm zum Hafen. Denn die zweite Etappe des Trans Swiss Trails beginnt ganz entspannt – mit einer Schiffsfahrt.

«Murten» steht auf einem Schild beim Steg, und wir blicken uns verschwörerisch an. Murten heisst unser Tagesziel heute. Wäre es da nicht schlauer, direkt mit dem Schiff hinzufahren? Vermutlich schon. Zwei, drei Sekunden geben wir uns der Versuchung hin. Wollen wir wirklich? Nie und nimmer! Mit leichtem Bedauern wenden wir uns ab und entern die «Neuchâtel» am Steg nebenan: Sie braust quer über den See nach Cudrefin, willkommener Fahrtwind inklusive. Im dunstigen Licht ist der Mont Vully zu erspähen.

 

Blick auf den Murtensee mit grünen Wiesen im Vordergrund

Blick auf den Murtensee von Mont Vully.

«Mont Vully? Aujourd’hui? Olàlà», meint der freundliche Monsieur am Kiosk des Strandbades, zieht die Augenbrauen hoch und deutet mit dem Kinn zur Temperaturanzeige. Jetzt schon 28 Grad. Seufzend ziehen wir los, durch den Campingplatz, vorbei an verschlafenen, zeitungslesenden Menschen und hellwachen Hunden, durchs Naturschutzgebiet, der Aare entlang, wo das Kursschiff nach Murten tuckert, ausgerechnet, an einem Reisfeld vorbei.

Und dann ist Schluss mit der Ebene, es geht bergan, als die Sonne im Zenit steht. Ja, das sind zwar nur rund 300 Höhenmeter, doch unter diesen Bedingungen gestaltet sich der Aufstieg fies.

 

 

Gelber Wegweiser mit Blick auf den Murtensee

Wegweiser am Mont Vully mit Seeblick.

Auf dem Mont Vully werden wir nett empfangen: von wiegenden Sonnenblumen und dem Blick auf den Neuenburger-, Bieler und Murtensee. Der Murtensee lockt mit einem besonders hübschen Türkis und kurbelt unsere Vorfreude auf das abendliche Bad an. Via Wald und Rebberge geht’s hinunter nach Sugiez, wo gemäss Indra die Boulangerie mit dem weltbesten «Gâteau» alias Vullykuchen wartet.

Inzwischen haben wir nämlich ein ziemliches Hüngerchen beisammen und fliegen die letzten Meter beinahe zum verheissungsvollen Schlaraffenland. Der Traum nimmt ein jähes Ende. Die beschwärmte Boulangerie hat sich in eine Baustelle verwandelt, ernüchtert stehen wir in der Hitze an der staubigen Strasse. Und nun?

 

 

Gelbe Sonnenblume mit Muster.

Die lächelnde Sonnenblume.

Rettung naht im lauschigen Innenhof unter den Baumkronen des Romantikhotels Bären, man tischt uns den begehrten Gâteau auf und wir sind versucht, Sugiez zum besten aller Orte zu küren.

Zufrieden nehmen wir den letzten Abschnitt in Angriff, erst führt der Weg «geng de Aare na», schliesslich dem Murtensee entlang, hinein ins mittelalterliche Städtchen und nun kommt der ersehnte Moment, wir sind am Ziel und springen endlich, endlich ins kühle Türkis. Viel später beobachten wir von der Hotelterrasse aus, wie die Sonne es uns gleich tut und im See versinkt.

 

Grüne Trauben mit See

Weinberge mit Blick auf den Murtensee.

Tag 2: Murten-Laupen

Laupen heisst eigentlich Lauben

Montag. Mit reichlich Wasser im Rucksack lassen wir das Zähringerstädtchen mit der imposanten Stadtmauer hinter uns und wandern Richtung Wald bis zur offenen Anhöhe. Das also ist das Freiburger Mittelland: Äcker, Felder, Hügelzüge. Gegenüber grüsst der Chasseral, unser Begleiter der ersten Etappe durch den Jura. Der Pfad führt in schattige Wälder. Es sind kaum andere Menschen unterwegs. Ein Biker, eine Reiterin.

In Liebistorf setzen wir uns einen Monat in die schmucke kühle Kapelle. Bald sind wir wieder am Wasser: Diesmal ist es die Saane. Sie präsentiert sich spiegelklar. Kurz vor Laupen fliessen Saane und Sense zusammen, ein faszinierendes Naturschauspiel – nicht nur für uns. Die Kieselsteininselchen und Sandbänke sind gut gesetzt und auch wir gönnen uns ein Fussbad, denn die Badetasche ist im Gepäck und das Gepäck ist schon in der Unterkunft.

 

Der grüne Fluss Saane mit Felsen im Wasser

Klare grüne Saane.

Moooment! Müsste Laupen nicht Lauben heissen, angesichts des mittelalterlichen Stadtkerns mit den stattlichen Häusern und den gedeckten Lauben? Jeder Vorplatz, jedes Geschäft, jedes Restaurant ist liebevoll dekoriert, die blühenden Oleander versprühen südländisches Flair, abgesehen davon, dass der Läubliplatz sowie der ganze Ortskern ziemlich tot ist – Sommerferien und Montagabend sind in Laupen oder eben Lauben eine denkbar schlechte Kombination.

Da es heute kaum Höhenmeter zu bewältigen gab, machen wir uns nach dem Abendessen im einzig geöffneten Restaurant auf zum Schloss und werden mit einem königlichen Sonnenuntergang belohnt.

 

 

Frau blickt über eine Mauer auf das Schloss Murten bei Sonnenuntergang

Sonnenuntergang in Murten.

Tag 3: Laupen-Köniz-Bern

Plastikpalmen mahnen an Mendrisio

Dienstag. Heute geht’s vom Städtchen in die Stadt. Nachts hat ein Gewitter die Luft gefegt, jetzt, am Morgen, dampft es wie in der Waschküche.

Und wieder gehen wir am Wasser: Der Wanderweg führt uns der Sense entlang, in Neuenegg mahnen die Plastikpalmen am Bahnhof an das Fernziel Mendrisio, einige Meter weiter werden wir Zeuginnen der Hauptprobe einer Wassershow. In Sensematt zweigen wir in einen märchenhaften Wald voller Farne und Flechten ab.

 

 

Künstliche Palme neben einem Gebäude

Künstliche Palme am Bahnhof

Schon steht zum ersten Mal «Köniz» auf dem Wegweiser, doch nichts weist darauf hin, dass Bern quasi ums Eck liegt: Wir entdecken verwunschene Höhlen, gehen über schnuckelige Holzbrücken, an zwei dösenden Herdenschutzhunden vorbei, und als wir aus dem Wald kommen, präsentiert sich uns ein komplett anderes Bild – im Dunst sind die Gipfel der Alpen zu sehen, klarer die Antenne des Berner Hausbergs Gurten.

Wir nehmen eine vermeintliche Abkürzung der schattenlosen Hauptstrasse entlang, was wir bald bitter bereuen: Es ist einfach zu tropisch für solche Spässe. In Köniz streichen wir die Segel und setzen uns verschwitzt in den Bus zum Berner Hauptbahnhof. Später am Abend ruft das Wasser wieder, dieses Mal in Form der flaschengrüne Aare in der Lorraine.

 

Kleine Holzbruecke und gelbe Wegweiser im Wald

Holzbrücke mit Wegweiser im Wald.

Tag 4: Bern-Worb

Karibische Wasserlandschaften, zum Bleiben schön

Mittwoch. Ja! Es muss wirklich einen Gott der Versuchungen geben. Und er hat Laune! Denn: Was fährt uns in der Berner Innenstadt direkt vor die Füsse? Das Worber Bähnli! Wäre es nicht schlau... – nein, nein, nein! Wir schauen der Verlockung hinterher, sagen stattdessen den Bären im Park Hallo und befinden uns alsbald auf dem Aareweg Richtung Muri, stadtauswärts.

Beim Tierpark Dählhölzli sind Geschnatter und Gekreisch zu hören, Enten fliegen auf, von der Aare sind Gelächter und Gekreisch und Musik zu vernehmen, ein Gummiböötli ums andere treibt uns entgegen. Wir kommen ins Schlendern, verweilen bei dieser kleinen Bucht und bei der nächsten; und bitte, wie hübsch ist dieses Fähribeizli vor dem karibikfarbenen Wasser?

 

 

Flusslauf umgeben von Bäumen

Blick auf den Fluss zwischen den Bäumen.

Die karibische Flusslandschaft mit Sandstränden bleibt uns noch ein gutes Stück erhalten, am liebsten würden wir sie nie mehr verlassen. Daraus wird nichts: Vor Allmendingen zeigt die grüne Zwei eiskalt Richtung Feld. Bald lassen behäbige Bauernhäuser das Emmental erahnen. Dass es nicht mehr fern sein kann, erkennen wir an einem allerliebsten Hofcafé kurz vor Worb – im Gefrierfach stehen selbstgemachte Glacés, es gibt eine Kaffeemaschine und sogar Liegestühle.

Danach marschieren wir locker über den bewaldeten Hügel, und beim steilen Abstieg zwischen freundlichen Kühen erspähen wir das Schloss Worb – und wieder Wasser. Diesmal ist es von einem erfrischenden Hellblau und gehört zur Badi.

 

 

Eingang eines Eiscafés mit Dekoeis und Terrasse

Eingang eines Eiscafés mit Dekoeis und Terrasse.

Tag 5: Worb-Lützelflüh

Singen mit den Gutgelaunten

Donnerstag. Das hügelige Emmental hat uns, und am Horizont ist die Alpenkette zu sehen wie auf einer Postkarte. Heute stehen es erstmals über 600 Höhenmeter auf dem Programm, rauf und runter, zunächst im angenehmen Wald. In Rüttihubelbad besuchen wir das Sensorium, in Wikartswil staunen wir über die riesigen Geburtsbäume vor fast jedem Haus, an Neugeborenen scheint es dem Dorf nicht zu mangeln.

Auf der Mänziwilegg stolpern wir in eine fröhliche Gruppe Pensionierter, einer hat die Handorgel dabei. Die Gutgelaunten laden uns mutig ein, mitzusingen, was wir tun; und wenn wir könnten, würden wir den ganzen Nachmittag in dieser lustigen Gesellschaft verbringen, mit reichlich Kaffee aus der Thermoskaffee und noch mehr Zwetschgenluz. Versuchung, vergiss es!

 

 

Ein traditionelles Holzbauernhaus mit roten Geranien an den Fenstern und einem blauen Himmel im Hintergrund.

Bauernhof mit grossem Baum.

Denn es steht nochmals ein gutes Stück Weg bevor. Kunstvolle Bauerngärten, geraniengeschmückte Emmentaler Häuser, dösende Bäris versetzen uns in Gotthelfs Zeiten. Der mächtigen Linde in Biembach können wir nicht widerstehen, unter ihrem Dach liesse sich hervorragend Siesta machen, aber auch hier gilt: vorwärts!

 

Bauernhof mit großer Linde und Wanderern auf dem Weg

Bauernhof mit einem grossen Lindenbaum.

Respektive: abwärts. Nach Schafhausen, und das eine F ist keinesfalls ein Schreibfehler. Dort hat der Gott der Versuchungen extra für uns ein riesiges Schild hingestellt: Emmentaler Merängge!

Wir interpretieren es als Befehl, bestellen zügig die kleine Portion und fragen uns kurz darauf mit wachsender Verzweiflung, wie denn die grosse ausgesehen hätte.

 

Kaffee Luz mit Sahne und Schokolade auf einem Tisch.

Glas mit Kaffee und Sahne.

Die Strafe folgt auf dem Fuss: Das Dessert der Tagesetappe wird zur zähen Prüfung. Der fiese Hügel gleich zu Beginn macht uns zu schaffen. Hätte es auf dieser Gigantenmerängge wenigstens keinen Rahm gehabt! In Lützelflüh, wo Pfarrer und Schriftsteller Jeremias Gotthelf lebte – und nun auf dem Friedhof bei der beeindruckenden Kirche begraben liegt – suchen wir vergeblich nach dem «Bären».

Der späte Blick in die Unterlagen zeigt: Der liegt in Ranflüh, in «Raufli», wie die Einheimischen sagen. Gut, fährt bald ein Bus. In Raufli gibt’s weder Badi noch See, aber ein filmreifes Gewitter, es reinigt die Luft aufs Wunderbarste.

 

Himmel mit Wolken

Ein Gewitter zieht auf.

Tag 6: Lützelflüh-Langnau i.E.

Der Wettergott lässt es krachen

Freitag. Und auch am letzten Tag bleibt das Wasser uns treu. Grüessech, liebe Emme! Zur Derniere ist der Gott der Versuchung urplötzlich verschwunden, dafür hat der Wettergott einen drolligen Einfall und lässt es regnen. Soll uns recht sein! Heute trifft das Wort Spaziergang zu, es ist ein regelrechtes Ausschlendern, immer an den Gestaden der Emme, vorbei an Wasserschwellen, Holzbrücken, originellen Dekorationen, Selbstbedienungsständen mit handgestrickten Socken und Bäbipullis und liebevollen Schildern wie «Vorsicht Katzenbabys». Kaum haben wir das Ziel erreicht, schreitet der Wettergott zum Finale.

Es schüttet, windet, stürmt, donnert und blitzt. Eine einheimische Kollegin fährt mit uns unbeeindruckt zum Blapbach, und durch die Tropfen auf dem Autofenster erblicken wir die grüne Zwei, die den Weg nach Eggiwil zeigt. Gäch hinauf! Der erste Abschnitt der Etappe 3, unsere Fortsetzung im nächsten Jahr. Auf den Schrecken hin stossen wir als einzige Gäste im Berggasthaus erst einmal an.

 

Frauen stossen an

Drei Frauen mit Weisswein im Restaurant.

Diese Wanderung wird uns saftig in die Beine fahren, das wissen wir jetzt schon. Wir werden schwitzen, keuchend Höhenmeter tilgen, womöglich schimpfend. Und tunlichst vermeiden, vorher eine Merängge zu konsumieren. Flusslandschaft mit karibischem Flair können wir wohl auch vergessen. Vielleicht, vielleicht aber wird der Gott der Versuchungen wieder aktiv sein, und vielleicht, vielleicht sind wir dann schlau. Wer weiss das heute schon!

Sie wollen Gewissheit? Wandern Sie mit uns hier mit vom Emmental übers Entlebuch bis zum Urnersee.

 

 

 

Nebel über dem Tal.

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