Welch ein Abenteuer, die Schweiz von Nord nach Süd komplett zu durchwandern. Von den einsamen Juraketten mit ihren geheimnisvollen Tälern streifen Sie durch das offene Seeland und durch die beiden hügeligen Regionen Emmental und Entlebuch im Herzen der Schweiz. Weiter geht es vorbei am Sarner- und Vierwaldstättersee und dann auf alten Säumerpfaden über den Gotthardpass ins Tessin. Dort wandern Sie auf der Strada Alta hoch über der Leventina Biasca entgegen. Der 488 km lange Trans Swiss Trail umfasst 32 Etappen und verläuft auf schönen Wanderwegen, die technisch einfach und konditionell mittelschwer sind. Die Strecken können dank guter Anbindung an den Öffentlichen Verkehr abgekürzt werden.
Porrentruy – Neuchâtel: Vom Obstgarten der Ajoie zu den Weinbergen am Neuenburgersee
Die Reise beginnt in Porrentruy im entlegenen nordwestlichsten Winkel der Schweiz. Einst residierten in der hübschen Kleinstadt mit den prächtigen Bürgerhäusern und dem weithin sichtbaren Schloss während zwei Jahrhunderten die Basler Fürstbischöfe. Vom massiven Rundturm herab grüsst leicht verblichen das Wappen mit dem Stab des Fürstbischofs, der auch die beiden Basler Wappen und jenes des Kantons Jura ziert. Durch den Obstgarten der Ajoie ziehen Sie dem bewaldeten Jurahügel entgegen, wandern in stillen Wäldern auf den Jurabergrücken hinauf und tauchen auf der anderen Seite in das geheimnisvolle Tal des Doubs ab.
Schon bald erreichen Sie St-Ursanne. In diesem mittelalterlichen Städtlein scheinen die Uhren vor Jahrzehnten stehengeblieben zu sein. Am kleinen Platz mit dem blumengeschmückten Brunnen und der prächtigen Kathedrale mag ein Maler vor seiner Staffelei sitzen und die Idylle mit dem Pinsel auf der Leinwand festhalten. Ein kurzer Spaziergang durch den Kreuzgang und die Altstadtgassen lohnt sich auf jeden Fall. Und vielleicht schauen Sie verzaubert dem Maler eine Weile über die Schulter, wie auf der Staffelei die Blumen am Brunnen vor der Kathedrale rote Blüten hingetupft bekommen.
Auf Schusters Rappen geht es auf Naturpfaden entlang dem stillen Doubs Richtung Soubey. Vögel zwitschern in den Bäumen am Ufer, Libellen stehen über dem blaugrünen Wasser, ab und zu springt ein Fisch. In Soubey nehmen Sie Abschied vom geheimnisvollen Grenzfluss und steigen aufs Hochplateau der Franches Montagnes hinauf.
Auf der Hochebene mit den dunklen Wäldern, vereinzelten Juratannen, verstreuten Höfen und weidenden Freibergerpferden liegt das regionale Zentrum Saignelégier, dahinter ist der Mont Soleil auszumachen. Eine Pause vor der Anstrengung unter einer Juratanne, feiner Tête de Moine mit einem Stück frischen Brot, und weiter geht’s. Rasch kommen beim Aufstieg auf den «Energieberg» die rotierenden Propeller näher. Das Windkraftwerk ist die grösste Anlage für erneuerbare Energie der Schweiz. Orchideen und ein fantastischer Blick zum Chasseral auf der einen und zu den Vogesen auf der anderen Seite begeistern auf dem Mont Soleil. Wie beflügelt wandern Sie hinunter nach St-Imier.
.jpg 1x, https://img.eurotrek.ch/w_960,h_1080,q_80,v_95b0d4,hash_f4e21a/dam/eurotrek/tours/Wandern/Schweiz/5-jura-hoehenweg-zip/balsthal-couvet/ST0051161_Oberdorf-(ST).jpg 2x)
Neuenburg – Langnau im Emmental: vom Drei-Seen-Land ins Emmental
Emmental & Vierwaldstättersee: Biopshäre, Einsiedler, Rütlischwur
Hügel und Gräben, Wälder und Matten, vereinzelte prächtige Höfe mit tief herunterreichenden Dächern und auf den Hügelkuppen vereinzelte Bäume. Auf den Höhenwanderwegen haben Sie die ganze Schönheit des Emmentals bis zum Napf und den Alpen im Hintergrund im Blick. Die Höhenwanderung über den Hügelzug Hohwacht-Girsgrat gehört zu den aussichtsreichsten und attraktivsten Abschnitten des Trans Swiss Trails. Kein Wunder, haben die Berner hier auf der Hochwacht einst einen – heute historischen — Signalposten erstellt. Er war einer der über hundert Chutzen, die ein Wachtfeuernetz der alten Republik Bern bildeten. Mit den Chutzen wurden damals Alarme signalisiert oder Meldungen weitergegeben.
Nun wandern Sie auf dem Weg der Schweiz. Und um diesen Streckenabschnitt vollends patriotisch zu färben, überblicken Sie nicht nur See und Berge, sondern auch noch das geschichtsträchtige Rütli. Doch bald ist es mit der Idylle vorerst vorbei. Bei Erstfeld im Urnerland nähern sich Strassen, Bahn und Neat-Baustelle dem Saumweg an, auf dem Sie wandern. Angesichts der vielen modernen Verkehrswege tauchen vielleicht auch Bilder auf von früheren Zeiten. Bilder von Kutschen und Pferden, die den Weg über den Gotthard unter Räder und Hufe nahmen, seit Jahrhunderten eine der wichtigsten Handelsrouten Europas.
Gotthardpass – Strada Alta: Im Herzen der Alpen
Wie eindrücklich, die Kirche von Wassen, die weithin sichtbar auf einem Hügel steht, und die vielen Kehrtunnels ganz in ihrer Nähe. Spätestens seit Emil Steinbergers Klassiker «Chileli vo Wasse», in dem er im Zug durch die Kehrtunnels fährt und die Kirche aus immer neuer Perspektive sieht, sind Tunnels und Kirchlein einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Der Wanderweg, der entlang den Gleisen der alten Gotthard-Bahnlinie im Urserental verläuft, kommt Kirche und Tunneln sehr nah. Bald schon führt er in die sagenumwobene Schöllenenschlucht am Gotthard-Pass zwischen Göschenen und Andermatt. In der Schlucht tost die junge Reuss. Einst war es eine grosse Herausforderung, einen Übergang über das tosende Wasser zu schlagen. Der Stiebende Steg wurde die erste Brücke genannt, die um 1300 erbaut wurde, der Sage nach vom Teufel höchstpersönlich. Eine kühne Steinbrücke und später eine moderne Brücke ersetzten den ersten Steg. Noch heute schaut man mit leichtem Schaudern von der Brücke hinunter auf die schäumende Reuss. Weiter geht es auf dem alten Saumweg durch die wildromantische Schlucht hinauf Richtung Passhöhe.
Es braucht wahrlich Kondition auf diesem Teilstück zum Gotthardpass mit seinen 2107 Metern Höhe hinauf. Der Weg verläuft zuerst auf der alten Postkutschenstrasse von 1830. Auf dem historischen Saumpfad mit dem schönen Pflasterbelag fühlen Sie sich in die Zeit der Säumerhandelskarawanen zurückversetzt. Von den Handelskarawanen zeugen Gasthäuser aus jener Zeit und eine alte Zollstation. Noch ist die Passhöhe nicht erreicht, doch Sie überschreiten bereits die Kantonsgrenze von Uri zum Tessin.
Die vier grossen Schweizer Flüsse Rhein, Rhone, Reuss und Ticiono haben in der Region des Gotthardpasses ihren Ursprung und fliessen in allen Himmelsrichtungen ganz unterschiedlichen Ozeanen zu. Kurz vor der Passhöhe erspähen Sie die gewaltige Staumauer des Lago di Lucendro, die das Quellwasser der Reuss fasst. Abgesehen von Strasse, Autobahnbelüftungen und Passgebäuden und einem Museum über einstige Postillon- und Säumer-Zeiten ist dieses Hochplateau eine unberührte, archaische Gegend. Alpenblumen blühen im kurzen, struppigen Gras zwischen Felsblöcken; Murmeltiere pfeifen und verschwinden flugs in ihren Erdlöchern, sobald sie Ihrer angesichtig werden.
Auf dem historischen Saumweg neben der denkmalgeschützten Tremola-Passstrasse mit den kunstvollen gebauten und ästhetisch anzusehenden 24 Kehren, auf der früher Postkutschen rollten und auf der Pferdehufe klapperten, wandern Sie wie einst so manche Handelsleute dem Süden entgegen. Immer wieder geniessen Sie auf diesem teils gepflasterten Säumerweg, der sich durch die Alpwiesen schlängelt, einen atemberaubenden Blick auf die Leventina. Weit entfernt rauscht dort unten den Verkehr. Oder ist es der Wind in den bodennahen Büschen und Grasbüscheln, durch die Sie streifen?
Auf der Strada Alta
Ab Airolo wandern Sie auf der Strada Alta, einem der bekanntesten und ältesten Höhenwanderwege der Schweiz. Nun geht es den malerischen Hängen entlang durch lichte Wälder, Weiler mit typischen Tessiner Steinhäusern und kleinen Kapellen. Der mittlere Abschnitt der Strada Alta zwischen Osco und Anzonico mit schönem Naturbelag und nur wenig Höhenunterschied ist bestimmt der angenehmste. Wie herrlich ist hier ein Picknick vor einer sonnenbeschienenen Kapellenmauer, auf dem frischen Tessiner Brötli ein Stück würziger Ziegenkäse oder ein paar Rädlein Salametti, vor Augen die Bergketten der Leventina und des Bedrettotals. Der letzte Abschnitt der Strada Alta schliesslich ist zwar klar der steilste, aber bestimmt auch der romantischste.
Auf dem alten Saumweg wandern Sie über gewaltige, sonnenbeschienene Felskanzeln, durch einsame, schattige Kastanienwälder und über die spektakuläre Freilufttreppe oberhalb von Pollegio talwärts. Nach einem kurzen Bustransfer erreichen Sie Biasca, wo die lange Wanderreise auf dem Trans Swiss Trail nach 32 wundervollen, unvergesslichen Etappen endet und Sie die Erlebnisse vielleicht in einem Grotto bei einem Teller dampfender Polenta und einem Boccalino Merlot genussvoll und schon etwas wehmütig Revue passieren lassen.
