Vom kleinen Ort Trient ging es also wieder los. Nur war das Wetter an unserem Start dieses Mal nicht vom Feinsten. Der Himmel war wolkenverhangen, der Nebel hing über den Bergen und vom berühmten Blick auf den Glacier du Trient sahen wir nur weisse Nebelfetzen.
Zuerst ging es bergauf zum Col de Tricot. Der Weg führte durch alte Fichten und Lärchenwälder, die Äste der Bäume tropften von der Feuchtigkeit des Nebels. Regenjacke anziehen und 5 Minuten später die Regenjacke wieder ausziehen – wir konnten uns nicht entscheiden, welche Variante die bessere Option für uns war.
Nach dem Col de Tricot ging es noch ein Stück bergauf bis zur Bergkuppe Portalo. Dann kamen wir zur Station Bovine, wo wir kurz entschlossen eine Pause einlegten. Der erste Wandertag war noch etwas ungewohnt, ausserdem waren wir der Meinung, wir hatten uns bei diesem feuchten Wetter eine kleine Aufmunterung verdient.
Im Gastraum kamen wir ins Gespräch mit "Wanderkollegen". Die wichtigste Frage, die immer wieder gestellt wurde: "Gehen Sie den Weg mit oder gegen den Uhrzeigersinn?"
Die Wichtigkeit dieser Frage konnten wir bis zum Schluss nicht ergründen! 😊 Dieses Mal waren wir aber im Uhrzeigersinn unterwegs – eine Ausnahme in der Wanderkommune rund um den Mont Blanc.
Nach der Stärkung ging es weiter bergab. Wir querten mehrere Bäche und gelangten so nach Champex du Lax. Das Wetter wurde langsam besser und wir stellten uns noch kurz die Frage, ob wir auch noch den See umrunden sollten. Die Entscheidung fiel aber dann zu Gunsten eines „Kaffee mit Gipfele“ aus, gleich bei einem Café direkt am See.
Der Blick aus dem Fenster zeigte: Hochnebel, aber ein bisschen besser als gestern. Die zweite gute Nachricht – es ging vorerst bergab! Wir waren noch etwas müde vom ersten Tag, so kam es uns sehr gelegen, dass heute eine ruhige Wanderetappe am Plan stand.
Entlang des Themenweges „Sentiere des Champignons“ ging es durch den Wald abwärts bis nach Issert. Verschieden schöne Holzfiguren säumten den Weg.
In Issert bestünde die Möglichkeit den Bus zu nehmen, wir aber wollten das Schweizer Val Ferret in seiner Ursprünglichkeit zu Fuss erleben.
Wir erlebten auch wieder die unterschiedlichsten Varianten, diesen Weg zu begehen. Wir sahen Personen mit riesigen Rucksäcken, die alles mitschleppten und Gruppen, die ihr Gepäck mit Maultieren oder Pferden transportieren lassen. Wir kamen mit unseren leichten Tagesrucksäcken schnell voran!
Der Wanderweg führte nun, mit einer leichten Steigung, bergauf. Die Häuser mit ihrem vielfältigen Blumenschmuck gaben herrliche Fotomotive. Die Gipfel blieben leider auch heute meistens in Wolken. Das störte uns aber nicht, die Eindrücke der Dörfer blieben unvergesslich.
La Fouly, das Dorf kurz vor dem Talschluss im Val Ferret, ist in seiner Ursprünglichkeit noch weitgehend erhalten geblieben. Bei einem kleinen Spaziergang abends durch das Dorf konnten wir uns davon überzeugen.
Der Himmel war strahlend blau – endlich! An diesem Tag stand der erste grosse Anstieg auf dem Programm. Zuerst aber ging es, an einem Campingplatz und am Gite de la Lechere vorbei, zum Talschluss. Gemütlich steigt der Weg durch den Wald bergan, immer wieder querten wir Gletscherbäche. Bis zum Ende des Tales hätten wir wieder den Bus nehmen können, aber wer will mit dem Bus fahren, wenn die Sonne scheint?
Dann ging es aber bergauf! Anfangs gingen wir noch auf einer Schotterstrasse und konnten das erste Mal so richtig den Blick auf die Berge geniessen. Beim Chalet de la Peule lockte uns natürlich die Käserei. Wir hatten in La Fouly im kleinen Supermarkt ein Baguette gekauft, hier in der kleinen Hütte nahmen wir den Käse mit – unser Lunchpaket war perfekt.
Dann ging es auf einem schönen Wanderweg stetig bergauf. Murmeltiere „pfiffen“ uns den Weg und wir genossen die Wanderung zum Grand Col Ferret. Auf den Wiesen stand das Wollgras, Schwarzbeersträucher verleiteten uns immer wieder zum Pflücken.
Am Col angekommen begrüsste uns eine grosse Herde Schafe. Die Frage stellte sich – sind die Schafe nun „Schweizer“ oder „Italiener“? Wir befanden uns jetzt genau an der Landesgrenze.
Oben angekommen hatten wir nun endlich den ersehnten Blick auf das Mont Blanc Massiv von der Südseite.
Die Bergkette präsentierte sich ganz anders als von der Nordseite. Unzählige Grate und Zacken, mächtige Gletscher und die Gebirgskette der Grandes Jorasses bestimmten den Ausblick. Im Südosten sahen wir ausserdem das Gran Paradiso Massiv. Die Pause wurde durch diesen herrlichen Ausblick etwas länger als geplant.
Der Abstieg führte uns zuerst zum Refuge Elena. Auf der Terrasse der Hütte machten wir nochmals Rast, der hausgemachte Kuchen schmeckte besonders gut.
Dann der letzte Abstieg ins Val Ferret zu unserem Hotel. Der Abend und diese Nacht waren dann durch den Vollmond ein ganz besonderes Erlebnis – taghell beleuchtete er die Gletscher und den Gipfel des Mont Blanc.
Gestärkt nach einem herrlichen Frühstück wartete der nächste Anstieg auf uns. Entlang von Serpentinen wanderten wir zum Refuge Walter Bonatti. Die Hütte liegt wunderschön, wie auf einer Kanzel vor dem Pointe Walker, dem mächtigen, östlichen Pfeiler des Grandes Jorasses.
Nach einer kurzen Fotopause ging es weiter. Wir entschieden uns bei der Wegführung für die längere Variante – und das war gut so!
Zuerst steigt der Weg gemütlich an, es waren nur wenig Wanderer unterwegs, nur eine Kuhherde beäugte uns neugierig. Wir erreichten einen gewaltigen Talkessel. Ringsum steigen die Felswände mehrere hundert Meter an, im Talgrund herrliche Almwiesen, gesprenkelt mit Enzian. Am Pas entre deux Sauts angekommen, setzten wir den Rucksack etwas ab für eine kurze Pause.
Es ging kurz bergab, bevor eine weitere Steigung auf uns wartete – der Aufstieg aufs Col du Sapin. Hier erlebten wir dann einen Teil des grossen Ultramarathon (UTMB), der alljährlich Ende August hier in der Region über die Bühne geht. Viele Läufer und Läuferinnen waren unterwegs und es war interessant, diesen Lauf zu beobachten.
Am Col angekommen entschieden wir uns für den weiteren Aufstieg zum Tete Bernarda. Die Serpentinen ziehen steil empor, aber dann wurden wir belohnt. Die Aussicht am Gipfel gehörte zu den Schönsten dieser Tour. Die meisten Wanderer wählen den einfacheren Weg im Tal, wir waren hier oben am Gipfel fast alleine unterwegs.
Das Lunchpaket wurde ausgepackt und wir genossen den Ausblick auf das Mont Blanc Massiv in aller Stille. Es war warm und windstill – ein herrlicher Moment.
Abwärts ging es über grasbewachsene, sanfte Hänge, kleine Pfützen waren in den Wiesen eingelagert. Im Wasser spiegelte sich, wie in einem Parabolspiegel, die Gipfelkette des Massivs. Ein Traum für jeden Fotografen.
Das Refuge Bertone besitzt eine herrliche Sonnenterasse mit gemütlichen Liegestühlen – eine Pause lockte! Aber es war schon spät und so gingen wir weiter durch einen herrlichen Lärchenwald hinunter ins Tal nach Courmayeur. Heute waren wir müde, aber wir möchten keine Minute von diesem herrlichen Tag vermissen.
Der letzte Wandertag – und wieder ein strahlend blauer Himmel. Das Frühstück war exzellent, ein Bus brachte uns ins Veny-Tal. Heute waren wir dem Mont Blanc ganz nah. Beeindruckend ziehen die Gletscher ins Tal, immer wieder kommen andere Wasserfälle ins Blickfeld. Kurz vor dem Rifugio machten wir einen kurzen Abstecher zum Lac du Miage. Ein türkisgrüner Gletschersee ist in die Landschaft eingebettet. Hier hatten wir den ersten Ausblick über unseren heutigen Anstieg zum Col de la Seigne. Vor uns erstreckte sich eine Moränenlandschaft mit einem verzweigten Flussdelta und eingelagerten Seen.
Eine Schotterstrasse führte bergauf und wir konnten am Lac Combal wieder herrliche Fotos machen. Ausserdem verlockten uns die Himbeersträucher neben der Strasse immer wieder zu einem kurzen Stopp. Kurz vor der Hütte steht als Wegepunkt eine kleine Kapelle, uns aber zog es zum Refugio Elena.Obwohl wir sehr gut gefrühstückt hatten, waren wir bereits wieder hungrig. Die Gemüsesuppe wurde uns auf der Terrasse serviert. Der Hüttenwirt und sein Team versorgten die bunt gemischte Gesellschaft aus allen Teilen der Welt mit Gefühl und guter Laune. Der Ausblick auf die umliegenden Berggipfel und die Gletscher war unbeschreiblich schön.
Beim weiteren Anstieg zum Col hörten wir dann ein Donnern und sahen, wie sich eine kleine Lawine vom Gletscher löste! Am Col de la Seigne wehte uns ein kalter Wind ins Gesicht. Wir liessen uns aber dadurch nicht stören. Uns war bewusst – dies war der letzte Tag – den wollten wir bis zur letzten Sekunde auskosten. Wir hatten herrliches Wetter und konnten so die Aussicht auf gesamte Gipfelrunde geniessen zu können.
Im Westen sahen wir zum Col des Fours, diesen Abschnitt kannten wir bereits von der Tour Mont Blanc West, die wir im Juli absolviert hatten.
So ging es mit sehr wehmütigen Gefühlen bergab zum La Ville des Glaciers. Wir waren stolz – wir hatten die Tour rund um den Mont Blanc geschafft, nun konnten wir uns wirklich TMB-Hikers nenn
Die Tour war perfekt geplant, wir konnten alle Momente der Wanderung geniessen.
Eine grossartige Wandertour in einer einmaligen Umgebung war zu Ende: La Randonnée, wie die Tour genannt wird, war vollendet.