Velotour Toskanische Küste & Elba

Reisebericht von Marlise Haller

Zusammen mit meinem Mann Roger fuhr ich mit etwas gemischten Gefühlen am Sonntag frühmorgens los, um mit dem Flixbus die Reise nach Pisa anzutreten. Wir waren angenehm überrascht, dass der Bus zum Einsteigen bereit war und dann auch pünktlich losfuhr. Die Fahrt verlief problemlos, inklusive des Aufenthaltes in Mailand, wo wir in Richtung Pisa umsteigen mussten.

Kurz nach Ankunft im Hotel Repubblica Marinara erwartete uns Simone für das Briefing und die Übergabe der Mietvelos. Er bemerkte charmant aber unmissverständlich, dass die Toskanische Küste durchaus auch einige Hügel zu bieten hat. Ein kleiner Spaziergang in die Altstadt von Pisa eröffnete uns einen Augenschein unserer ersten Destination.

Alte, traditionelle Häuser befinden sich in einem kleinen Dorf in der Toskana in Italien.

Die Universitätsstadt Pisa hat rund 87‘000 Einwohner. Ihre Uni gilt als eine der besten von Italien. Ca. 25‘000 junge Menschen studieren hier. Mitten durch die Stadt fliesst der Arno, welcher von zahlreichen Parks mit prächtigen alten Platanen gesäumt wird. Ganz besonders eindrücklich und weltbekannt ist natürlich die Piazza dei Miracoli (der Platz der Wunder), wo der Dom mit dem schiefen Turm steht.

Das Bauwerk zog auch uns sogleich in seinen Bann. Der weisse Marmor bildet einen tollen Kontrast zum blauen Himmel. Massive Stahlkabel an der Rückseite des Turms hindern ihn am Einstürzen. Er kann seit einigen Jahren wieder besucht werden.

1. Etappe: Ausflug von Pisa an die Küste, 30 km

Unsere Mitarbeiterin Marlise auf dem Bike in der Toscana.

Nach der Übernahme der Räder mussten diese erst einmal getestet werden, ob alles passt mit den Einstellungen usw. Wir erhielten sehr gute KTM 21-Gang Unisex Tourenräder.

Beim Infogespräch am Vorabend trafen wir zwei deutsche Paare, welche dieselbe Tour fuhren wie wir. Nach kurzem gegenseitigem Beschnuppern beschlossen wir, die erste Etappe gemeinsam zu fahren, was uns sehr schnell zu einer harmonischen Gruppe zusammenfügte. Wir blieben dann auch bis zum Schluss immer zusammen.
Die ersten Kilometer im Stadtverkehr waren nicht zu unterschätzen, denn in Pisa ist verkehrsmässig einiges los. Allerdings gibt es auch in der Stadt Radwege, und die praktischen Wegweiser helfen im Zweifelsfall weiter.

Die Sonne meinte es schon sehr gut mit uns auf dieser ersten Etappe über 30 Kilometer. Wir waren glücklich, als wir nach ca. 20 Kilometern das Meer erreichten.

Italiensk gelato

Einige Strände laden zum Baden ein und haben etwas Infrastruktur, andere hingegen sind ungepflegt und es liegt Abfall herum. Die sandigen Strecken am Ufer mit kleineren und grösseren Steinen waren Teststrecken für unsere Reifen ­­­- problemlos bestanden.

Von weitem schon war der Hafen von Viareggio erkennbar. In der Stadt angekommen, genehmigten wir uns ein erstes gemeinsames Mittagessen und später an der lebhaften Strandpromenade auch ein längst fälliges italienisches Eis.

Für den Rückweg haben wir dann den Zug von Viareggio nach Pisa genommen. Es gibt in den Zügen (immer hinten) Fahrradabteile, aber in den Bahnhöfen sind einige Stufen mit dem Velo auf den Schultern zu meistern. Mit Elektrovelos dürfte dies herausfordernd sein. Nach dieser Einfahrtour waren wir gewappnet für die anspruchsvolleren Etappen, die dann auch gleich am zweiten Tag begannen.

2. Etappe: Pisa - Castiglioncello, ca. 40 km

Der Tag begann so, wie der vorherige geendet hatte: Mit einer Zugfahrt von Pisa nach Livorno. Unsere Tickets hatten wir von Simone erhalten, wir brauchten sie vor der Fahrt nur noch zu entwerten. Auch hier entpuppte sich das Meistern der Treppen mit Rad sowie das Verladen der Velos als kleiner Kraftakt zum Warmlaufen.

Die Hafenstadt Livorno wartete mit einem fast noch stärkeren Verkehr auf als Pisa. Angesichts dieser Tatsache und wegen der strengen Etappe verzichteten wir auf eine Stadtbesichtigung und fuhren vorbildlich in Einerkolonne Richtung Uferstrasse. Eine Baustelle hat uns nach dem ersten Kaffeehalt einige Rätsel aufgegeben. Der erwähnte Weg war nicht mehr passierbar und so mussten wir ein erstes Mal etwas improvisieren.

Später wiesen uns Wegweiser wieder auf den richtigen Pfad. Die Strecken etwas abseits der Küste hatten bedeutend weniger Verkehr, und die Wegränder waren oft mit wunderschönen Pflanzen, vor allem Ginster verziert. Bald mussten wir unsere Kräfte sammeln für eine sechs Kilometer lange und teils heftige Steigung, welche nach Limoncino begann. Die Sonne tat das ihrige, um uns ganz schön ins Schwitzen zu bringen.

In der Bucht die mit einer Steinmauer im Wasser vom offenen Meer abgetrennt ist, sind viele kleine Boote festgemacht.

Nach weiteren welligen Abschnitten erreichten wir Castelnuovo Misericordia, einen um die Mittagszeit verschlafenen, kleinen Ort. Nicht zu klein aber für eine Pizzeria in der Dorfmitte, wo wir uns stärken konnten. Einige ältere Herren, welche sich zum Kaffee getroffen hatten, musterten uns, unsere Velos und die Ausrüstung skeptisch. Sie konnten wohl kaum verstehen, wie man bei der Hitze mit dem Rad über toskanische Hügel fahren kann ...

Nach dem Mittagshalt führte die Strecke angenehm bergab in den quirligen Küstenort Castiglioncello, eine ehemals etruskische Siedlung. Unsere Gruppe war im altehrwürdigen Hotel Miramare, direkt am Strand einquartiert.

Das Haus hat eine mehr als hundertjährige Geschichte. Kein Geringerer als Winston Churchill war nur einer von vielen prominenten Besuchern. Alte Fotos an den Wänden zeugen von der ereignisreichen Vergangenheit.

Ein Erlebnis war auch die Fahrt mit dem historischen Fahrstuhl. Ein Sprung ins Meer und danach ein leckeres Abendessen in einem stylischen Lokal mit Sonnenuntergang liessen diesen Tag ausklingen.

3. Etappe: Castiglioncello - Marina di Castagneto, ca. 50 km

Pinienbaum-Allee in der Toskana

Zum einen weil wir nun gut eingefahren waren, zum anderen wegen der angenehm kühlen Abschnitte in den Pinienwäldern, war dies meine liebste Etappe. Auch liebe ich die flachen Strecken überaus!

Nach einem kurzen Einturnen machten wir uns auf den Weg in Richtung Vada. Dort mussten wir auch bereits wieder anhalten, um die wunderschönen weissen Sandstrände zu bestaunen. Sie waren noch wenig besucht. Etwas später, während des italienischen Ferragosto bietet sich wohl ein ganz anderes Bild.
Bald darauf folgten nach weichen, sandigen Abschnitten die ersten Forststrassen durch die Pinienwälder. Bei heissen Temperaturen ein wahrer Genuss. Die riesigen Pinien haben eine Schirmform, welche sie erst ab ca. dem fünfzigsten Lebensjahr erhalten. Später flacht diese Form wieder ab. Die Bäume können bis dreissig Meter hoch werden und zweihundert bis zweihundertfünfzig Jahre alt.

Die Sonne leuchtet goldig am Horizont über dem Meer.

Im kleinen Urlaubsort Marina die Cecina lässt es sich herrlich baden oder auch nur Kaffeepause machen. Unterwegs zum Städtchen Bolgheri trafen wir unzählige Zypressen an. Auch dieser Baum ist wie die Pinie typisch für die Toskana. Die schlanken, hohen Bäume dienen vor allem als Windschutz. Bereits die Römer haben Zypressen angepflanzt. Der Baum kommt mit extremen Bedingungen wie Trockenheit, Hitze und Kälte zurecht, ist weit verbreitet und sein ätherisches Öl wird zu diversen medizinischen Zwecken verwendet.

Im malerischen Städtchen Bolgheri machten wir schliesslich Mittagshalt. Seinen Namen erhielt es von Bulgaren, die einst im Ort stationiert waren. Rundum wachsen viele Weinreben und das Städtchen erhielt in den 1970er Jahren gar eine Auszeichnung für seinen Wein. Natürlich wird neben Rebensaft auch alles andere angeboten, was in der Toskana gedeiht. Öle, Souvenirs aus Kork, Seifen, Düfte usw.

Als ein kräftiges Gewitter aufzog, blieben wir einfach im Restaurant sitzen, probierten Cantuccini mit Vino Santo und alles war halb so wild ... Selbst die nun deutlich kühleren Temperaturen und der leichte Regen auf den letzten Kilometern bis nach Marina di Castagneto konnten uns nichts mehr anhaben. Und kaum hatten wir unser Hotel Alta la Vista erreicht, zeigte sich auch schon wieder die Sonne. Der Strand beim Hotel war sehr einladend und breit und an der Promenade waren zahlreiche Fischrestaurants zu finden. Ein traumhafter Sonnenuntergang liess bei einem Glas Rosé-Wein perfekte Ferienstimmung aufkommen.

4. Etappe: Marina di Castagneto -­ Piombino, ca. 60 km

Biker sitzt auf einem kleinen Mäuerchen in einer Parkverbotsstrasse und passt auf 2 rote Fahrräder auf.

Diese 60 Kilometer hatten es in sich und wir mussten sie uns wahrlich verdienen. Bei traumhaftem aber heissem Wetter verliessen wir die Küste, um auch bald schon die erste Steigung nach Castagneto Carducci in Angriff zu nehmen.

Vom idyllisch gelegenen Ort eröffnete sich ein wunderbarer Blick auf die üppig grüne Flora und auf die Küste. Wir waren ordentlich stolz auf die zurückgelegten Höhenmeter. Bis nach Sassetta verlief unser Weg in leichtem bis heftigem Auf und Ab.

Ja, der Toskanischen Küste fehlt es wahrlich nicht an Hügeln! Wir genossen die Ruhe auf den fast verkehrsfreien Wegen und es roch kräftig nach Pinien, Ginster und anderem Grün.

Bunte Oliven

In Sassetta angekommen gönnten wir uns einen feinen Cappuccino und liessen das Flair des alten Städtchens auf uns wirken. Nach einigen weiteren Kilometern erreichten wir Suvereto. Schon auf dem Weg dorthin fielen uns die zahlreichen Korkeichen auf. Das lateinische Wort dafür ist Quercus suber und daraus soll sich der Ortsname Suvereto abgeleitet haben.

Wir fanden ein Restaurant mit köstlichen Spezialitäten der Gegend und statteten dem historischen und sehr fotogenen Ort einen Besuch ab. Überall werden Spezialitäten aus Olivenöl und natürlich besonders Wein angeboten. Leider zogen bereits wieder bedrohliche, pechschwarze Wolken auf, welche uns zur zügigen Weiterfahrt bewegten.

Nun folgten einige Kilometer mit Regen, Gegenwind und wieder etwas mehr Verkehr. Je näher wir unserem Ziel Piombino kamen, umso verkehrsreicher wurden die Strassen. Der Versuch, die Hauptstrasse etwas zu umfahren schlug leider fehl, denn wir verfuhren uns auf den Feldwegen, die leider auch nicht mehr mit Schildern versehen waren.

So blieb uns nichts anderes übrig, als die letzten Kilometer in die Stadt hochkonzentriert, in Einerkolonne zu fahren. Der Feierabend-Verkehr war gigantisch, der Lärm entsprechend und die Autofahrer tragen den Radfahrern nicht besonders Sorge. Da hiess es wirklich „Augen auf und durch“.

Ziemlich abgekämpft, nass, aber erleichtert erreichten wir schliesslich das wunderschön auf den Felsen gelegene Hotel Esperia.

 

5. kurze Etappe: Ausflug auf die Insel Elba, ca. 10 km

Bootstour mit Touristen und Ausblick in der Toscana

Nach dem anstrengenden Vortag war der Ausflug nach Elba ein willkommener Ruhetag. Die Fahrt zum Hafen dauert mit dem Fahrrad ca. 20 Minuten. Das Einchecken auf der Fähre verlief rasch und problemlos. Das Fährenpersonal wies uns die Abstellplätze für unsere Räder zu und wir banden sie zur Sicherheit mit Stricken fest.
Bei Sonnenschein und warmen Temperaturen genossen wir die ca. einstündige Überfahrt nach Portoferraio, die Hauptstadt der Insel Elba. Es wird eine kürzere und eine längere Radtour auf der Insel angeboten. Wir entschieden uns einstimmig für die Kürzere. Die schmucke Hauptstadt hatte einen bunten Markt, welchen wir natürlich nicht auslassen konnten. Die vielen Früchte, Würste und Gemüse sahen frisch und einladend aus. Anschliessend besuchten wir die pittoreske Altstadt, welche leicht erhöht über dem Hafen thront. Der Jachthafen zeigt, dass hier auch Jet Set-Publikum ein- und ausgeht. Trotz lebhaftem Treiben in der Altstadt war sie noch nicht überfüllt und wir mussten zum Glück in der Gelateria nicht lange anstehen.

Für Kulturinteressierte ist das Napoleon-Museum zu empfehlen. Der französische Kaiser verbrachte auf Elba zehn Monate im Exil.
Nach einem kühlenden Bad an einem nahen Kieselstrand nahmen wir eine etwas frühere Fähre als gebucht zurück nach Piombino. Die Umbuchung war unkompliziert und kostenlos. Zurück in Piombino war es nach dem letzten gemeinsamen Abendessen mit unseren Kollegen aus Deutschland leider auch bereits wieder Zeit zum Abschied nehmen. Solche Aktivreisen können aus anfänglich Fremden sehr schnell Kollegen oder gar Freunde machen.

Rücktransfer Piombino – Pisa und Rückreise

Morgens holte uns der Fahrer im Hotel in Piombino ab und brachte uns zusammen mit Gepäck und Rädern nach Pisa in unser erstes Hotel zurück. Unser Flixbus fuhr erst nachts um 23.00 Uhr, also hatten wir noch den ganzen Tag Zeit, um Pisa und seine Bewohner etwas eingehender zu studieren. Natürlich durfte auch ein Bummel in der Einkaufsstrasse Borgo Stretto mit den zahlreichen Geschäften und Cafés nicht fehlen. Die Fussball-WM hatte bereits begonnen, was unübersehbar war. Ein Jammer natürlich für Italien, dass es diesmal nicht dabei sein konnte. Allerdings konnten wir beobachten, dass der Nachwuchs mit viel Sachverstand und Herzblut gefördert wird. Vielleicht klappt es ja beim nächsten Mal!

Hätten wir gewusst, dass unser Flixbus so grosse Verspätung hat, dann wären wir nochmals ins Stadtzentrum gefahren und hätten uns das Lichterfest angeschaut, das jedes Jahr am 16. Juni zu Ehren des Stadtpatrons St. Ranieri gefeiert wird. Die ganze Altstadt wird mit 100‘000 Leuchten auf Holzrahmen, welche an den Häusern befestigt sind, erleuchtet. Den Abschluss macht ein grosses Feuerwerk.

Wir sahen das Feuerwerk noch kurz vom Busbahnhof aus und so setzte dieses unserer tollen Radreise einen würdigen Abschluss.

Toscana-Marlise

Fazit

Eine ideale Reise für Freunde von schönen Landschaften, tollen alten Küstenstädtchen und von italienischer Küche. Die Hügel erfordern beim Radfahren etwas Biss, aber diese Anstrengungen sind schnell vergessen.

Die traumhaften Sonnenuntergänge bei einer feinen Pizza und einem Gläschen Wein mit unseren neu gewonnen Kollegen machen diese Studienreise für mich unvergesslich!

Unsere Veloreisen in der Toskana

Schwer
Italien

Veloferien Toskana

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Mittelschwer
Italien

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