Die Liste derer, die schon vor dem Zeitalter des Massentourismus in Richtung Süden aufgebrochen sind, ist lang. Und viele haben uns Zeugnisse ihrer Reisen unterlassen. Goethes «Italienische Reise» ohne Zweifel eines der bekanntesten Berichte der deutschen Literaturgeschichte. Aber während Geheimrat Goethe als privilegierter Reisender vorwiegend mit der Kutsche «ins Land, wo die Zitronen blühn» (Wilhelm Meister) reiste, ist Johann Gottfried Seumes «Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802» ein Bericht einer Reise auf Schusters Rappen.
Das Buch machte Seume auf einen Schlag berühmt und ist, anders als Goethes «Italienische Reise», mehr ein Bericht von unten. Die teilweise unverhohlene Kritik an den sozialen Verhältnissen, denen er auf seiner Reise begegnet, gibt bis auf den heutigen Tag immer wieder Anlass zu Kürzungen bei Neuauflagen dieses Buches.
Syrakus oder Siracusa ist übrigens auch das Ziel des Angebots Radreise Sizilien Südost. Praktischerweise brauchen Sie aber weder zu Fuss dorthin zu gehen, noch wird Ihr Allerwertester von tagelangen Kutschfahrten über holperige oder morastige Landstrassen gemartert. Das geht zum Glück heute alles viel bequemer! Was natürlich auch dazu führt, dass der Anlass für eine solche Reisen in den Süden heutzutage durchaus etwas profanerer Natur sein darf.
Statt Metamorphosen tun’s auch warmes Wetter und das Meer und eine Pizza am Abend. Aber wer sich offenen Auges auf den Weg macht, der kann sich auch heute noch von den gleichen Stätten und Landschaften beglücken lassen, die schon Reisende früherer Tage ins Schwärmen gebracht haben.
Doch kommen wir zum Angebot Sizilien Südost: Diese Velotour gehört mit ihren meist flachen Etappen und nur leichten Steigungen zu den gemütlicheren ihrer Art. Das schont natürlich die Ressourcen und bietet die besten Voraussetzungen, sich voll und ganz auf die kulturellen Höhepunkte einzustimmen!
Die Wege zwischen Palazzolo Acreide nach Modica sind teilweise von Trockensteinmauern gesäumt, was dieser ersten Etappe eine nostalgische Note verleiht. Einen ersten Höhepunkt bildet der Abstecher in die Barockstadt Ragusa Ibla. Ende des 17. Jahrhunderts nach einem schweren Erdbeben im Stil des sizilianischen Barock wieder aufgebaut und malerisch auf einem Hügel gelegen, ist sie Teil des UNESCO-Welterbes «Spätbarocke Städte des Val di Noto».
Auf dem Weg zum südlichsten Punkt Siziliens erreichen Sie vor kurz Pozzalo die Küste. «Brunnen am Meer» bedeutet der Name des ehemaligen Fischerdorfs. Handelsschiffe haben in früheren Zeiten hier angelegt, um ihre Frischwasservorräte zu ergänzen. Was Pazzallo für die Schiffe sind die Schutzgebiete Pantano Longarini und Pantano Cuba für die Zugvögel. Zu Tausenden machen Sie hier Rast auf ihren alljährlichen Reisen zwischen Afrika und Europa.
Das Inselchen Isola delle Correnti bildet den südlichsten Punkt Italiens. Sie ist heute unbewohnt, beherbergt aber noch einen Leuchtturm aus neuerer Zeit. Ruinen eines Fischerdorfes und einer Festung aus dem 16. Jahrhundert zeugen von früherer Besiedlung.
Ihr nächster Etappenort ist dann das reizende Fischerörtchen Marzamemi. Der Name ist abgeleitet vom arabischen Marsà al-hamam, was so viel bedeutet wie Turteltaubenbucht. Eine Sehenswürdigkeit mit vielen sandsteinernen Fassaden, blauen Türen und vielen Blumen vor türkisblauem Meer.
Der nächste Zwischenstopp in Noto hat wieder sehr viel Baukultur zu bieten. Der Ort gilt als eine Art Hauptstadt des sizilianischen Barocks, ein Umstand, der demselben Erdbeben zu verdanken ist, welches schon Ragusa dem Erdboden gleichgemacht hatte. Und hier müssen Sie nun in sich gehen und eine Entscheidung fällen. Soll die letzte Etappe weiterhin gemütlich dem Meer entlang führen? Mit diversen Bademöglichkeiten? Oder riskieren Sie einige Höhenmeter und besuchen die Schlucht Cavagrande del Cassibile? Mit einer atemberaubenden Abfahrt im Anschluss zurück zur Küste? Es liegt bei Ihnen, Sie haben die Qual der Wahl!
Aber egal wie sich entscheiden, mit Syrakus erlebt Ihre Reise einen finalen Höhepunkt. Die Stadt hat eine sehr lange Geschichte. Zur Zeit der Römer war sie das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum Siziliens. Ursprünglich von den Griechen gegründet, bezeichnete sie der wortgewaltige römische Schriftsteller Cicero als die schönste aller griechischen Städte. Erst mit der Eroberung der Insel durch die Mauren im neunten Jahrhundert und den von ihnen vorangetriebenen Ausbau Palermos zum neuen Zentrum verlor die Stadt nach und nach an Bedeutung. Streifen Sie durch die Gassen der Stadt und studieren Sie die Spuren, die diese längst vergangenen Epochen hier hinterlassen haben!
